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11.06.2025

3 Fragen an… Dr. Moritz Holtappels

Dr. Moritz Holtappels vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) erforscht, wie Meeresböden als Kohlenstoffsenken wirken. Im Interview erklärt er, warum ihre Klimaschutzleistung oft unterschätzt wird – und wie das ANK-Projekt KomSO das ändern will.

Dr. Moritz Holtappels ist Meereswissenschaftler am AWI in Bremerhaven. Er forscht zu biogeochemischen Prozessen im Sediment und an der Sediment-Wasser-Grenzfläche, insbesondere zum Kohlenstoffkreislauf und zur Sauerstoffdynamik. Moritz Holtappels war zuvor am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie tätig. Seine Arbeiten tragen wesentlich zum Verständnis des Stoffaustauschs zwischen Ozean und Sediment bei. 

Das Projekt KomSO, in dem er gemeinsam mit Prof. Dr. Sabine Kasten vom AWI arbeitet, wurde bei der UN-Ozeankonferenz in Nizza (9.-13.06.2025) bei einem Side Event auf dem Forschungsschiff Meteor präsentiert. Im Projekt werden die Kohlenspeicherkapazitäten mariner Sedimente untersucht.

Meere und Küsten sind in ihrer Klimaschutzleistung bislang nicht in der LULUCF-Sektorbilanz berücksichtigt. Warum?

Zu den potenziellen Kohlenstoffsenken im Sektor Meere und Küsten zählen neben Salzmarschen und Seegraswiesen unter anderem auch feinkörnige Meeressedimente. Es gibt bislang noch Forschungsbedarf zur Frage, wie viel Kohlenstoff diese Lebensräume genau speichern können. Daher müssen zunächst die Datengrundlagen konsolidiert und einheitliche Bewertungsverfahren eingeführt werden, bevor Maßnahmen für den Natürliche Klimaschutz umgesetzt werden können. 

Ein spezifisches Problem im marinen Bereich ist, dass Kohlenstoff oft nicht dort gespeichert wird, wo er entsteht. Zum Beispiel wachsen Algenwälder oder Seegraswiesen an einer Stelle, aber der organische Kohlenstoff lagert sich woanders ab, etwa in feinkörnigen Sedimenten. Meeresströmungen transportieren den organischen Kohlenstoff im Meer und verbinden diese Orte, was eine regionale Bewertung erschwert. Weiterhin gibt es Forschungsbedarf dazu, wie sich die menschliche Nutzung von Küsten und Meeren auf die Klimaschutzleistung der jeweiligen Senken auswirkt.

Was sind die Forschungsschwerpunkte in Ihrem ANK-Projekt KomSO?

Wir untersuchen im Projekt „Kohlenstoffspeicherkapazität mariner Sedimente in der deutschen Ostsee“ (KomSO) die Kohlenstoffspeicherpotenziale feinkörniger Sedimente. In flachen Schelfmeeren – wie der Ostsee – werden durch die natürliche Sedimentation von partikulärem organischem Kohlenstoff große Mengen Kohlenstoff dauerhaft in den Sedimenten eingelagert. Weltweit geschätzt sind das jedes Jahr rund 2,5 Milliarden Tonnen CO₂, was etwa sechs bis sieben Prozent der vom Menschen verursachten CO₂-Emissionen entspricht. 

In KomSO unternehmen wir eine Bestandsaufnahme der sedimentären Kohlenstoffspeicherkapazität in der deutschen Ostsee und erstellen dazu einen Leitfaden für Messverfahren und Untersuchungsstrategien. Neben dem Inventar von Kohlenstoff im Sediment betrachten wir auch, wie viel Kohlenstoff jedes Jahr dazukommt. Es werden Regionen mit hoher Ablagerungsrate identifiziert und bilanziert, auch um Aussagen zu schützenswerten Regionen zu ermöglichen.

Meeresflächen unterliegen verschiedenen Nutzungen etwa für Fischerei, Schifffahrt und Energieerzeugung. Wie wirken sich diese Mehrfachnutzungen auf den Kohlenstoffkreislauf aus?

Der natürliche Abbau des organischen Kohlenstoffs und die Umwandlung in CO2 geschieht am effektivsten mit Sauerstoff. Doch bei hohen Ablagerungsraten von organischem Kohlenstoff ist der Sauerstoff im Sediment bereits nach wenigen Millimetern Tiefe verbraucht. Darunter ist quasi kein Sauerstoff mehr vorhanden. Diesen Zustand nennen wir anoxisch. Der Kohlenstoff kann unter diesen anoxischen Bedingungen nur noch verlangsamt abgebaut werden. Entsprechend mehr Kohlenstoff bleibt im Boden gelagert. Bei einer durch Menschen verursachten Umlagerung der Sedimente etwa durch Fischerei oder Schifffahrt kommt der abgelagerte Kohlenstoff aus den anoxischen Schichten wieder in Berührung mit Sauerstoff, dann wird wieder mehr CO2 produziert. 

Die Grundschleppnetzfischerei stört die Sedimente am häufigsten und noch dazu über extrem große Flächen. Die Errichtung von Offshore-Windkraftanlagen stören die Sedimente zwar ebenso, sie sind aber räumlich und zeitlich sehr begrenzt. Eine gesunde Fauna am Meeresboden hilft dabei, Kohlenstoff besser einzulagern. Denn die Tiere sorgen dafür, dass der frisch abgelagerte Kohlenstoff schneller in tiefere, sauerstoffarme Schichten gelangt – wo er länger erhalten bleibt. Die regelmäßige Grundschleppnetzfischerei beeinträchtigt diese allerdings und so geht die natürliche Speicherfunktion verloren. Der Schutz der Tierwelt am Meeresboden ist somit auch entscheidend für die langfristige Speicherung von Kohlenstoff im Sediment – und damit für den Natürlichen Klimaschutz.

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